Arbeitskampf und Pflege

Projektträger: IG24: Interessengemeinschaft der 24-Stunden-Betreuer*innen (IG24: the interest group of 24-hour care givers)

Verantwortliche*r: Simona Durisova, Flavia Matei, Anna Leder

2021

1. Preis

AT

Zivilgesellschaft / Sozialwirtschaft

Worum geht es?

Eine Grassroots-Bewegung - Das Projekt widmet sich der (Selbst)organisierung von migrantischen 24-Stunden-Betreuer*innen in Österreich. Die entstandene Grassroots-Bewegung der Betreuer*innen ist eine Reaktion auf die durch Scheinselbständigkeit begründete soziale und arbeitsrechtliche Benachteiligung der Betreuer*innen, auf ineffektive Interessenvertretungen sowie ausbeuterische Praktiken vieler Vermittlungsagenturen und mancher Betreuungsfamilien. Die soziale Innovation dieses Projekts besteht darin, dass es die benachteiligte Betreuer*innen solidarisch über nationale Grenzen hinweg zum Tätigwerden anregt.

Herausforderung

Die Betreuer*innen als formal Selbständige üben ihre Gewerbetätigkeit in voller Abhängigkeit von Vermittlungsagenturen und betreuten Personen aus. Nicht nur die persönliche Unabhängigkeit der Betreuer*innen ist eingeschränkt, sondern sie sind auch arbeitsrechtlich nicht geschützt und von den meisten staatlichen Sozialleistungen ausgeschlossen.

Idee

Unser Projekt hat eine effektive demokratisch organisierte Interessenvertretung aufgebaut, die sich langfristig für die Lösung des Problems der Scheinselbständigkeit und kurzfristig für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen durch erstsprachliche Beratung, Unterstützung und Hilfe in Krisensituationen und Weiterbildung einsetzt.

Akteur*innen

Die Betreuer*innen bauen selbstbestimmt eine effektive und demokratische Interessenvertretung auf und sind unmittelbar in Entscheidungsprozesse eingebunden.

Wirkung

Unser Projekt hat mehr als 11.000 Betreuer*innen erreicht. Auf dem Weg zur Selbstorganisierung haben aktive Mitglieder organisatorisches Know-How erworben und Erfahrungen in Öffentlichkeits-, Community-und Lobbyarbeit gesammelt. Passive Mitglieder profitieren vom Zugang zu erstsprachlichen Informationen und der Beratung durch ihren Kolleg*innen.

Transfer

Unser Projekt kann ein Beispiel für Flexkräfte anderer Branchen werden, die ebenso von Scheinselbstständigkeit betroffen sind.

Würdigung der Jury

Eine kraftvolle Antwort auf ein strukturelles Problem, das durch die Covid-Pandemie verschärft und deutlicher sichtbar wurde. Die mehrheitlich aus Osteuropa kommenden 24-Stunden-Betreuer*innen stützen unser Pflegesystem und werden gleichzeitig sozial verdrängt und rechtlos gehalten. Jetzt beginnen sie, sich selbst zu organisieren: Sie wollen gesellschaftlich sichtbar werden. Ein sozial innovatives, längst notwendiges Aufbegehren! Einzelfallhilfe im Konkreten und politisches Bekämpfen gewalttätiger Strukturen. Vor allem soll eine staatliche oder genossenschaftlich organisierte Anstellung die abhängig machende Scheinselbständigkeit ersetzen.